Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Strafrecht Mathias Klose, Yorckstr. 22, 93049 Regensburg

Formulierungsbeispiel:  Antrag gemäß § 86b Abs. 2 SGG

 

Formulierungsbeispiel von Rechtsanwalt Mathias Klose für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG im Krankenversicherungsrecht (SGB V).
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem folgenden Schriftsatz um ein Muster handelt, das auf einen Einzelfall bezogen war und nicht unbesehen auf weitere Fälle übertragbar und anwendbar ist.

 

An das
Sozialgericht Regensburg
Safferlingstr. 23
93053 Regensburg
 

Az. neu

Antrag gemäß § 86b Abs. 2 SGG

In Sachen

Herr …, ...straße 15, 93049 Regensburg
-Antragsteller-

gegen

die AOK Bayern - Direktion Regensburg, Bruderwöhrdstr. 9, 93055 Regensburg
- Antragsgegnerin -

wegen Krankengeld

zeigen wir unter Vollmachtsvorlage die anwaltliche Vertretung des Antragstellers an. Namens und auftrags des Antragstellers beantragen wir:

 

I. Die Antraggegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem AntragstellerKrankengeld nach näherer Maßgabe des SGB V ab Antragstellung bis auf Weiteres zu gewähren.

II. Die Antraggegnerin trägt die notwendigen aussergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Begründung:

 

Die Beteiligten streiten über Krankengeld – hier im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, in der Hauptsache im Widerspruchsverfahren.

I. Der Antragstelle ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Er war bis Ende August 2018 gemäß § 5 Abs. 1Nr. 1 SGB V versichert. Sein Beschäftigungsverhältnis endete zum 31.08.2020. Er war vom 03.08.-16.08. undvom 17.8.-31.08.2020 krankgeschrieben gewesen. Aktuell ist er ärztlich arbeitsunfähig krankgeschrieben biseinschließlich 08.12.2020.Ab dem 01.09.2020 war er bei der Antragsgegnerin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB III versichert. Er bezog von derBundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld, zunächst bis zum 06.09.2020. Ab dem 07.09.2020 war er wiederumärztlich bestätigt arbeitsunfähig krank. Die Bundesagentur zahlte deswegen bis zum 18.10.2020Arbeitslosengeld weiter. Trotz ärztlicher Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, die auch von der Antragsgegnerin bislang nicht bezweifelt wird, zahlt die Antragsgegnerin seit dem 19.10.2020 kein Krankengeld an den Antragsteller.
Mit Bescheid vom12.11.2020 (Anl. ASt.1) teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, die Zahlung von Krankengeld sei nichtmöglich, weil sich sein Zustand ab dem 07.09.2020 nicht verschlimmert habe, was nach nicht näher benannter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1972 aber Voraussetzung von Arbeitsunfähigkeit i.S.d.§ 44 SGB V sei.Dagegen wurde Widerspruch erhoben, über den bislang nicht entschieden wurde.Zur Glaubhaftmachung verweise ich auf die Antragsgegnerakte, deren Beiziehung ich beantrage.

Festzuhalten bleibt zum Verfahrensgang also, dass der bei der Antragstellerin mit Anspruch auf Krankengeldversicherte Antragsteller ärztlich bescheinigt grundsätzlich arbeitsunfähig krank ist (derzeit) bis zum 08.12.2020.Die Zahlung von Krankengeld durch die Antragsgegnerin scheitert nach deren Rechtsauffassung aber rein ausrechtlichen Gründen, nämlich daran dass es ab dem 07.09.2020 im gesundheitlichen Zustand des Antragstellerszu keiner Verschlechterung gekommen sei, was aber für die Annahme von Arbeitsunfähigkeit nach derhöchstrichterlichen Rechtsprechung Voraussetzung sei, so dass ausnahmsweise Arbeitsunfähigkeit zu verneinensei und damit der antragstellerische Anspruch auf Krankengeld.Nachdem der Antragsteller seit dem 19.10.2020 seinen Lebensunterhalt durch den Verbrauch seinenfinanziellen Reserven bestritten hat und diese nunmehr, v.a. durch Mietzahlung und andere regelmäßigwiederkehrende Verpflichtungen, erschöpft sind, wird die Anrufung des Gerichts im Wege des Eilrechtsschutzeszusätzlich zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens erforderlich.

II. Der Antrag ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen und in den Fällen des § 86a Abs. 3 SGG die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen (§ 86b Abs. 1 SGG). Soweit – wie hier – ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung einesRechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86b Abs. 2 S. 1 SGG). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitigesRechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§86b Abs. 2 S. 1 SGG). Das Hauptsacheverfahren muss noch nicht anhängig sein, der Erlass einer Sicherungs- oder Regelungsanordnung ist auch vorher möglich (§ 86b Abs. 3 SGG).
Der einstweilige Rechtsschutzantrag ist begründet, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrundhinreichend glaubhaft gemacht sind (§ 86b Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 920 ZPO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalenZusammenhangs ein bewegliches: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sinddie Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt (MKLS/Keller, 12. Aufl. 2017, SGG § 86b Rn. 27).Vermieden werden soll sowohl bei der Sicherungs- als auch bei der Regelungsanordnung, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren erlangenkann (MKLS/Keller, 12. Aufl. 2017, SGG § 86b Rn. 28).Anordnungsgrund ist bei der Sicherungsanordnung die Gefahr einer Rechtsvereitelung oder Erschwerung derRechtsverwirklichung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes. Die bloße Möglichkeitbeeinträchtigender Maßnahmen ist noch keine Gefahr. Es müssen Tatsachen vorliegen, die auf eine unmittelbarbevorstehende Veränderung schließen lassen, bei der Regelungsanordnung ist Anordnungsgrund dieNotwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile (MKLS/Keller, 12. Aufl. 2017, SGG § 86b Rn. 27a).Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegendwahrscheinlich ist, d.h. wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch mit durch Glaubhaftmachung oder Amtsermittlung herbeigeführter überwiegender Wahrscheinlichkeit besteht (Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Auflage 2016, Rn. 357). Liegen Anordnungsgrund und –anspruch vor, ist einstweiliger Rechtsschutz ohne Weiteres zu gewähren (Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Auflage 2016, Rn. 357). Bei offenem Ausgang desHauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, auch uns insbesondere unterBerücksichtigung der verfassungsrechtlichen Belange und Anforderungen v.a. bei drohenden schweren undunzumutbaren Nachteilen im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (z.B. BVerfG, 06.08.2014, Az. 1 VvR1453/12). Regelmäßig ist maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn einer einstweiligen Anordnung der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei Gericht.

2. Nach diesen rechtlichen Maßgaben hat der Antrag Erfolg.

Anordnungsanspruch und -grund sind hinreichend glaubhaft gemacht. Streitig erscheint bislang ausschließlich, ob der Antragsteller ab dem 07.09.2020 arbeitsunfähig ist, konkret die Beantwortung der rechtlichen Frage, ob es erforderlich ist, dass zum 07.09.2020 eine weitergehendeZustandsverschlechterung eingetreten sein muss, um einen Krankengeldanspruch ab diesem Tage begründen zukönnen. Es wird daher im Rahmen der Darstellung des Anordnungsgrunds nur auf diesen Gesichtspunkt eingegangen.

Versicherte haben ein Recht auf Krankengeld, wenn gerade das in der Krankengeldversicherung abgedeckteRisiko Krankheit das versicherte Gut Arbeitsfähigkeit im erforderlichen Umfang beeinträchtigt, das heißt siearbeitsunfähig macht (§ 44 Abs. 1 SGB V). Eine gesetzliche Umschreibung der Arbeitsunfähigkeit fehlt. Allgemein akzeptiertem Verständnis zu Folge ist ausgehend vom medizinischen Krankheitsbegriff arbeitsunfähig, wer als Versicherter überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zuverschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen (z.B.: BeckOK SozR/Tischler,58. Ed. 1.6.2020, SGB V § 44 Rn. 18; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Waltermann, 6. Aufl. 2019, SGB V §44 Rn. 3; BSG Urt. v. 14.2.2001 – B 1 KR 30/00 R; BSG, Urteil vom 7. 12. 2004 - B 1 KR 5/03 R; Schrehardt DStR2013, 2346; § 2 Abs. 1 S. 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie). Dies gilt auch bei Dauerleiden(KassKomm/Schifferdecker, 111. EL September 2020, SGB V § 44 Rn. 41), wie hier.Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie hier, ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilungder Arbeitsunfähigkeit (zunächst) nur insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am früherenArbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigungabzustellen ist. Der Versicherte darf gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeld eng zu ziehen ist (BSGE 85, 271, 273;BSG, Urteil vom 7. 12. 2004 - B 1 KR 5/03 R).
Die von der Antragsgegnerin vertretene Rechtsansicht, dass „eine Arbeitsunfähigkeit nicht eintreten kann, wenn sie bereits bestanden hat“, hier also am 07.09.2020, bzw. zu diesem Tag eine weitergehende Zustandsverschlechterung eingetreten sein muss, wie sie im Bescheid vom 12.11.2020 ausführt, findet keinerlei Stütze – weder in der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung, noch in der Kommentarliteratur, noch in der sonstigen Fachliteratur, noch in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisenWiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V.

Festzuhalten bleibt also, dass der Antragsteller ab dem 07.09.2020 (und aktuell bis zum 08.12.2020) ärztlichfestgestellt arbeitsunfähig krank ist und auch im Übrigen die – allgemeinen – Anspruchsvoraussetzungen für dieZahlung von Krankengeld erfüllt.

Genauso bleibt festzuhalten, dass die – subjektive – Rechtsmeinung der Beklagten, ihr einziges Argument gegenden Krankengeldanspruch, die fehlende Zustandsverschlechterung ab dem 07.09.2020 keine tragfähigeGrundlage besitzt.

Somit ist im Ergebnis antragsgemäß zu entscheiden.

 

Mathias Klose (Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht und Fachanwalt für Strafrecht)

Kanzlei

Rechtsanwaltskanzlei Klose
Yorckstr. 22
93049 Regensburg

Telefon: 0941 307 44 55 0
Telefax: 0941 307 44 55 1

Email: kanzlei@ra-klose.com
Web: www.ra-klose.com 

Montag - Donnerstag: 8.30 - 17.00 h
Freitag: 8.30 - 13.00 h

Kostenlose Parkplätze
Barrierefreier Zugang 

Anwälte

Mathias Klose
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht
Fachanwalt für Strafrecht

Christian Falke *
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Sozialrecht
Mediator (HS Regensburg)

Dr. Martin Bartmann **
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

 

* angestellter Rechtsanwalt   ** freier Mitarbeiter

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.