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GdB 50 – auch viele "kleinere" Erkrankungen können den Ausschlag geben

Im Zusammenhang mit der Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) wird häufig davon ausgegangen, dass hierfür eine einzelne, besonders schwerwiegende Erkrankung ursächlich sein muss – etwa eine rezidivierende Depression, eine Tumorerkrankung oder ein Zustand nach Herzinfarkt. In der Praxis der sozialrechtlichen Begutachtung zeigt sich jedoch ein differenzierteres Bild: Auch mehrere, für sich genommen weniger gravierende Gesundheitsstörungen können in ihrer Gesamtheit zu einem erheblichen Funktionsverlust und damit zu einem höheren GdB führen.

Ein aktueller Fall aus unserer Kanzlei verdeutlicht dies eindrücklich: Die Mandantin litt an mehreren chronischen, aber einzeln jeweils nur mittelgradig ausgeprägten Erkrankungen. Hierzu gehörten unter anderem:

* eine depressive Störung,

* ein Schlafapnoesyndrom,

* Knorpelschäden am Kniegelenk,

* ein Schulter-Arm-Syndrom sowie

* funktionelle Einschränkungen der Wirbelsäule.

Für jede dieser Gesundheitsstörungen wurde im Gutachten ein Einzel-GdB zwischen 10 und 30 festgestellt. Die zentrale Frage war daher, wie diese Einzel-GdB im Rahmen der Gesamtbetrachtung zusammenzuführen sind.

 

Einzel-GdB sind nicht einfach zu addieren

Bei der Bildung des Gesamt-GdB gilt ein grundlegender Grundsatz: Die Einzel-GdB werden nicht addiert. Stattdessen ist eine medizinisch-funktionelle Gesamtschau vorzunehmen (§ 152 Abs. 3 SGB IX i. V. m. Teil A der Versorgungsmedizin-Verordnung). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob und wie sich die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen wechselseitig verstärken oder im Alltag kumulativ wirksam werden.

Im vorliegenden Fall wurde diese kumulative Wirkung vom ärztlichen Gutachter ausdrücklich betont. Zwar sei jede einzelne Erkrankung für sich genommen nicht als schwerwiegend einzustufen. Zusammengenommen führten die vielfältigen Beschwerden jedoch zu einer dauerhaften, erheblichen Beeinträchtigung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – insbesondere im Hinblick auf Mobilität, Schlaf, Belastbarkeit und psychische Stabilität.

 

Ergebnis: Gesamt-GdB 50 – trotz „nur“ mittelgradiger Einzelbeeinträchtigungen

Die Versorgungsverwaltung erkannte im Prozess vor dem Sozialgericht Regensburg (Az. S 4 SB 901/24) aufgrund dieser Gesamtschau am 30. Juni 2025 einen GdB von 50 an. Damit wurde der Schwellenwert für die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft erreicht (§ 2 Abs. 2 SGB IX).

Dieser Fall macht deutlich, dass bei der Bewertung von Behinderungen nicht nur die Schwere einzelner Diagnosen ausschlaggebend ist, sondern stets auch deren Zusammenwirken berücksichtigt werden muss. Gerade Menschen mit mehreren chronischen, jedoch „nicht spektakulären“ Leiden sollten daher nicht vorschnell davon ausgehen, keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB zu haben.

 

Unser Fazit

Die Praxis zeigt: Auch eine Vielzahl von „kleineren“ Gesundheitsstörungen kann im Ergebnis zu einem Gesamt-GdB von 50 oder mehr führen – insbesondere dann, wenn die Einschränkungen mehrere Lebensbereiche betreffen und sich gegenseitig verstärken. Für Betroffene lohnt sich eine genaue Prüfung der gesundheitlichen Gesamtverfassung und gegebenenfalls die Beratung durch im Sozialrecht spezialisierte Rechtsanwälte.

 

Exkurs in die Theorie: Was bedeutet die Schwerbehinderteneigenschaft?

Wird im Feststellungsverfahren ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 festgestellt, liegt nach § 2 Abs. 2 SGB IX eine Schwerbehinderung vor. Diese rechtliche Einstufung ist weit mehr als nur ein formeller Status – sie bildet die Grundlage für eine Vielzahl von Nachteilsausgleichen, die Menschen mit Behinderungen ein gleichberechtigtes Leben in der Gesellschaft ermöglichen sollen.

Zu den wichtigsten rechtlichen Vorteilen gehören:

* Kündigungsschutz: Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung genießen einen besonderen Kündigungsschutz nach § 168 SGB IX. Eine Kündigung ist nur mit Zustimmung des Integrationsamts zulässig, was einen wirksamen Schutz vor willkürlichen Entlassungen bietet.

* Zusätzlicher Urlaub: Nach § 208 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen einen Anspruch auf fünf Arbeitstage Zusatzurlaub pro Kalenderjahr (bei einer Fünftagewoche).

* Steuerliche Entlastung: Je nach Höhe des GdB können Pauschbeträge bei der Einkommenssteuer geltend gemacht werden. Ab einem GdB von 50 steht Betroffenen ein entsprechend höherer Pauschbetrag zu (§ 33b EStG).

* Vorrang bei der Einstellung: Öffentliche Arbeitgeber sind verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen (§ 165 SGB IX). Auch private Arbeitgeber unterliegen einer Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX, wenn sie mehr als 20 Arbeitsplätze haben.

Hinzu kommen unterstützende Leistungen durch die Integrationsämter und Reha-Träger, z. B. zur beruflichen Eingliederung, technische Hilfsmittel, Arbeitsplatzanpassungen oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben sowie – vor allem – ein früherer Zugang zur Altersrente.

Wichtig ist: Die Schwerbehinderteneigenschaft entsteht nicht automatisch mit der Diagnose oder dem Vorliegen gesundheitlicher Einschränkungen, sondern erst mit dem entsprechenden Bescheid der zuständigen Versorgungsbehörde. Deshalb ist es sinnvoll, frühzeitig einen Antrag zu stellen – insbesondere dann, wenn mehrere Erkrankungen zusammenwirken und die Lebensführung nachhaltig beeinträchtigen.

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